Lange ist es her, in einer längst vergangenen Zeit. Eine Frau, ein Tribunal, lärmender Pöbel vor den Türen des einfachen Hauses in dessen Hinterhof das Gericht tagt. Anfangs alleine unter all den Männern mit ihren langen Roben und schweren Kreuzen. Mit der Zeit, in mitten von anderen Gleichgesinnten an den Händen haltend, um die kochende Wut in ihr über die Ungerechtigkeit und das Unvermeidbare gemeinsam und schweigend, besser ertragen zu können.
Umblickend, erkennt sie im Schatten einer Ecke eine Gestalt, deren Kopf mit der Kapuze eines Gottesdieners bedeckt ist und ihn als solchen ausweist. Sie erkennt in ihm jenen Mann, der ihr einst ewige Treue und Liebe geschworen hat. Schamvoll und doch voller Hohn beäugt er sie und als er die Beweisschriften in seinen Händen wahrnimmt, mit verachtender Miene. Eiligst übermittelt er diese dem Vorsitzenden, um schnell zu seinen vor der Türe wartenden und verängstigten Kindern zu gelangen, um ihnen noch mehr von den Vergehen und der Sündhaftigkeit ihrer Mutter zu berichten.
Im Hinterhof fällt das Urteil. Der schneidend schweren Stille folgt Lärm, Empörung und Tumult. Die Frau wird grob gepackt und zu dem Folterinstrument gebracht, an dem sie an beiden Armen und Beinen befestigt wird, um sie langsam in die Länge zu ziehen. Aus dem Nichts beugt sich der Mann über sie und raunt ihr ins Gesicht: „Das hast du nun davon“, um genauso unbemerkt wie er erschienen ist wieder zu verschwinden. Alleine und am Ende ihrer Kräfte gibt sie sich dem hin, gegen das sie sich nicht wehren kann. Ein Zustand der Ohnmacht und der Taubheit befällt sie. Sie wird eingehüllt in eine Wolke, durch die sie das äußere Geschehen nur mehr wie in einem Traum mitbekommt.
Sie sieht ihre Kinder, wie sie versuchen zu ihr zu gelangen, es aber nicht schaffen. Die Tränen, die ihnen über die Wangen laufen, ihre Schreie, die unter den Massen ungehört verhallen und ihre Augen. Augen, die all die Verzweiflung und die Hilflosigkeit, den Schrecken und das Grauen über das Vergangene, die momentane Situation und die Angst vor der Zukunft ausdrücken. Augen, die die Liebe zu ihrer Mutter, so wie das Unverständnis und die Weigerung sie als bösartige und gefährliche Kreatur zu sehen, zum Ausdruck bringen. Das Gefühl der schieren Verzweiflung, der von ihren Kindern zu ihr rüberkommt, lässt die Seele der Frau zerreißen. Tiefste Traurigkeit und Schmerz erfüllt sie, der sich mit dem ihrer Kinder verbindet und der sie auf ewig aneinander binden sollte.
Sie weiß nicht wie sie an diesen Pflock gekommen ist und wer ihre Hände am Rücken an diesen gebunden hat. Es ist bereits dunkle Nacht, auch das hat sie nicht mitbekommen, genauso wenig das Feuer, das nun die Nacht erhellt und langsam aber sicher ihren Rock erreicht. Neben ihr sind all die anderen Frauen, deren Hände sie noch vor wenigen Stunden gehalten hat. Einige leise weinend, andere laut schreiend. Trostlosigkeit und Unverständnis breitet sich über der Gegend aus und beruhigt die aufgebrachten Gemüter des Pöbels. Traurigkeit und die Gewissheit, dass hier gerade großes Unrecht geschieht, legt sich auf die Schultern der Schaulustigen.
Plötzlich hört die Frau eine Stimme. Sie kann nicht sagen von wo oder von wem sie kommt. Sie wird eingehüllt und erfüllt von dieser, so als ob sie von einer weit entfernten Zukunft zu ihr kommt, um ihr Trost und Mut zuzusprechen. Kurz vor dem das Unausweichliche geschieht und die Flammen ihren Körper ergreifen, durchbricht die Stimme die Dunkelheit der Nacht und die schützende Wolke der Frau und die Frau vernimmt die klare, reine Frauenstimme mit der dringende Aufforderung: „Vergiss niemals deine Würde, deine Menschlichkeit und das Wissen über die Zyklen und die Kräfte der Natur!“ Diese Worte brennen sich tief in die Seele der Frau ein, währenddessen die Flammen ihren Körper verzehren.
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